Workflow mit KI im Studio © Tima Miroshnichenko, Pexels
In den letzten Jahren wird viel über die Errungenschaften der Künstlichen Intelligenz (KI oder AI) gesprochen. Und wenn man aktuellen Berichten Glauben schenken kann, gibt es inzwischen bereits die ersten KI-Bands, die mit ihren Hits die Charts stürmen, aber in dieser Form vermutlich niemals live zu sehen sein werden …
… Im Gegensatz dazu sind jene Tools, die die Arbeit im (Heim-)Studio einfacher machen, viel bodenständiger. Wobei die Intelligenz der meisten Plugin’s und Standalone Apps vorrangig darin besteht, das vorhandene Tonmaterial zu analysieren, um es im zweiten Schritt entsprechend der Vorgaben des Anwenders zu optimieren.
Live digital aber ohne KI
Wenn ich mit einer meiner Bands auf Tour bin, nehme ich jedes unserer Konzerte im Multitrack Verfahren auf. Die dafür erforderliche Hardware (wie z.B. die X-Live Erweiterungskarte für die X32 Digitalmischpulte von Behringer ) ist erschwinglich, deren Handhabung einfach. Oft werden wir dabei von talentierten Kameramännern begleitet, die Videos und auch Fotos machen. Während deren Bildmaterial in der Regel exzellent ist, können die Tonspuren der Kameras jedoch allenfalls zum Synchronisieren mit dem Mitschnitt von der Konsole verwendet werden.
Gerade dann aber beginnt die Arbeit. Will man z.B. das Einstreuen (bleed-in) des Schlagzeugsignals in Vocal Mikrofone unterbinden, kommen von den Kollegen*innen die üblichen Empfehlungen wie „verwendet doch eine Schlagzeugkabine“, „wechselt die Mikrofone“, „schirmt die Becken ab“ oder „steigt auf ein E-Drum um“ . Das mag zwar alles ganz nett gemeint sein, löst aber nicht mein Problem. Wenn ihr vor der Aufgabe steht, vorhandenes Tonmaterial nachzubearbeiten, könnt ihr zwar versuchen, das Signal zu verbessern (mittels Equalizer, Noise Gates und Plugins zur Eliminierung von Rauschen und Brummen), doch die Ergebnisse sind meist eher dürftig und die manuelle Aufbereitung dazu sehr aufwändig.
Ein auffallend nützliches Tool
Hier kommt jetzt erstmals die KI mit ins Spiel. Auf dem Markt gibt es verschiedene Anbieter, die behaupten in der Lage zu sein, vorhandenes Tonmaterial in die ursprünglichen Vokal- und Instrumentalspuren zu zerlegen (Stem Splitting). Bei Bass, Schlagzeug und Gesang funktioniert das inzwischen auch tatsächlich schon recht gut, bei allen anderen Instrumenten wie Piano, Orgel, Bläsern und Streichern gibt es Einschränkungen und Überschneidungen.
Um die Vocal Tracks meines vorstehend erwähnten Konzertmitschnitts von den Drum Bleed-Ins zu befreien, habe ich mich für den Einsatz von FADR entschieden – die Ergebnisse der Konkurrenz wie Moises, LALAL.ai und Voice.ai dürfte sich nicht groß unterscheiden. Dazu habe ich die Originalspur auf FADR geladen, und nach einigen Minuten meldet die Anwendung den erfolgreichen Abschluss der rechenintensiven Zerlegung zurück. Nun konnte ich alle Tracks (bzw. die gesäuberte Gesangspur) herunterladen, um sie in meiner DAW weiter zu verarbeiten.
Wie das Video zeigt, ist das Ergebnis durchaus hörbar. Im ersten Take hört ihr die Originalaufnahme der zu bearbeitenden Gesangsspur, im zweiten dieselbe, von FADR gesäuberte Spur. Im dritten Part ist es wieder die Originalaufnahme jetzt mit der gesamten Band und unbearbeiteter Vocal Spur und im vierten schließlich die FADR Spur in Kombination mit den Instrumentaltracks. Take 4 belegt: Das Ergebnis klingt sauber und druckvoll, Aufgabe erfolgreich gelöst.
Verwandele deinen Track in einen völlig anderen Style
Abhängig von der Qualität des zu analysierenden Tonmaterials ist FADR übrigens in der Lage, bis zu 16 verschiedene Vokal und Instrumentalspuren zu identifizieren und zu separieren, sodass ihr durchaus auch einen Remix einer bereits vorhandenen Stereoaufnahme angehen könnt. Will man beim Mastern auf Nummer Sicher gehen, könnt ihr zusätzlich ein AI-Plugin wie Ozone 11 von iZotope in die DAW laden, das betreffende Genre wählen (oder Ozone eine Referenzaufnahme vorspielen) und schon verwandelt das Ozone – Plugin das zuvor eher dürftige Resultat in einen fetten Mix.
Bei einem anderen Auftrag stand ich vor der Aufgabe, die Tonspur eines fast 50 Jahre alten Dokumentarfilms zu restaurieren. Er beinhaltete historisches Filmmaterial, verschiedene Interviews, Instrumentaleinspielungen und eine schwer verständliche Predigt in einer Kirche mit hohem Hallanteil.
Neben den üblichen Werkzeugen wie Equalizer, Kompressor und Limiter kam dabei erstmals auch ein AI Plugin zum Einsatz, das den Hall dämpfen sollte, um die Ansprache in der Kirche verständlicher zu machen. Eingesetzt wurde dafür das De-Verb Modul aus der RX 11 Produktsuite von iZotope . Auch hier musste das Tool erst angelernt werden, bevor es eingesetzt werden konnte. Was soll ich sagen? Ich würde dem Ergebnis 8 von 10 Punkten geben, der Auftraggeber ist zufrieden.
Empfehlung: die meisten Hersteller bieten kostenlose Trials an
Rund um die Uhr 24/7 bietet Thomann ungezählte Plugins verschiedener Hersteller zum Sofort-Download an. Direkt nach dem Online-Kauf erhält man die Rechnung und in einer separaten Mail die für die Inbetriebnahme erforderlichen Erläuterungen sowie den Lizenzschlüssel …
Ungeachtet dessen empfehle ich aber stets zunächst die von den meisten Herstellern angebotene kostenfreie Trial-Phase zu nutzen, um zu prüfen, ob das jeweilige Produkt Euren Erwartungen entspricht.
Fazit
Es ist spannend mitzuerleben, auf welche Weise und wie schnell die KI-Tools Eingang in den Audiobereich finden und das Klangerlebnis verbessern können. Die Entwicklung hat gerade erst begonnen und dürfte in den kommenden Jahren rasante Fortschritte machen.
Welche KI Tools setzt Ihr schon auf der Bühne und/oder im (Heim-)Studio ein? Ich freue mich auf eure Kommentare …
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